Montag 30.10.2023

"Bauingenieurin ist immer 'mein' Beruf gewesen"

Letzten Mittwoch war Vernissage der Ausstellung QUEENS OF STRUCTURE an der Universität Stuttgart. Leider hat eine gefehlt: unsere Vorständin Katrin Lünser.

Wir möchten daher kurz unsere QUEEN OF STRUCTURE vorstellen:

Katrin Lünser studierte Bauingenieurwesen an der Technischen Universität Dresden und schloss 1988 ihr Studium als Diplomingenieurin ab. Nach Stationen im Kaplan-Matzke-Schöler-Schrader Architektur- und Ingenieurbüro und bei Spielkamp + Hauke begann sie 1992 im Ingenieurbüro Leonhardt, Andrä und Partner, in dem sie 2019 als Vorständin berufen wurde. Zwischen 1994 und 1999 war sie zudem am Institut für Tragkonstruktionen der Universität Stuttgart tätig.

Was waren eigentlich die ausschlaggebenden Gründe für Deinen Studien- und damit späteren Berufswunsch? Kommst Du aus einer Bauingenieursfamilie?

Katrin Lünser: Nein, überhaupt nicht, ich komme aus einer Musikerfamilie. Ich kann es nicht an einem speziellen Vorbild festmachen, sondern es hat sich ziemlich zeitig herausgebildet, dass ich einen technischen Beruf ergreifen wollte. Bei der Abwägung zwischen Maschinenbau und Bauingenieurwesen überwog schließlich die Faszination, dass man als Bauingenieurin am Schluss das sieht, was man zuvor geplant hat: ein fertiges Gebäude. Und das blieb mein Ziel.

Du bist seit 1992 bei Leonhardt, Andrä und Partner. Das heißt, Du hast die Entwicklung gut verfolgen können. Wie war es zu Beginn, als Du hier anfingst zu arbeiten, und wie ist es heute? Hat der Anteil an Frauen deutlich zugenommen?

Katrin: Ja, es hat sich wirklich viel verändert. Als ich zu Leonhardt, Andrä und Partner kam, gab es noch sehr wenige Ingenieurinnen. Ich habe hier in Stuttgart als Vollzeitkraft angefangen und mich erst für eine Teilzeittätigkeit entschieden, als meine Kinder auf die Welt kamen. Dass eine Ingenieurin oder ein Ingenieur in Teilzeit arbeitet, war damals ein absolutes Novum. Inzwischen hat eine große Entwicklung eingesetzt, heute werden bei uns flexible Modelle für die einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angeboten. Mütter von kleinen Kindern und Väter in Elternzeit sind bei uns im Büro keine Seltenheit mehr.

Als Vorständin hast Du viel Verantwortung, Du musst neben Besprechungen und Sitzungen mit Architekten, Fachplanern und Bauherren ein Team leiten. Wie würdest Du Deinen eigenen Führungsstil beschreiben?

Katrin: Ich bin immer sehr bestrebt, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gerecht zu werden und auf individuelle Bedürfnisse einzugehen. Mein Führungsstil lässt sich daher vielleicht als argumentativ geprägt oder kooperativ bezeichnen. Die Struktur unseres Büros entspricht einer flachen Hierarchie. Man hat relativ schnell eine hohe Verantwortung für sein Projekt, steht aber nicht allein, sondern erhält eine breite Unterstützung.

Gibt es ein Projekt, auf das Du besonders stolz bist?

Katrin: Jedes Projekt ist wichtig. Herausheben kann man vielleicht die Mehrzweckhalle in Wimsheim als Holzbau zu Zeiten, als noch nicht alle über Holzbau gesprochen und nachgedacht haben, ein Forschungsgebäude für die Fraunhofergesellschaft in Sulzbach, bei der eine alte Lagerhalle in ein hochinstalliertes Gebäude umgebaut wurde und als Eingangsspange einen 10 m hohen gekrümmten Stahlbau erhielt, dessen Fassade aus luftgefüllten ETFE-Folienkissen besteht, sowie zahlreiche Klinikbauten wie beispielsweise das Olgahospital in Stuttgart.

Und wo siehst Du die Zukunft des Bauens?

Katrin: Die Digitalisierung ist in der Planung angekommen. Jetzt geht es darum, dies auch in die Ausführung zu überführen. Und leider wird noch zu oft Bestand abgebrochen. Hier gilt es mit kreativen Lösungen Bauwerke in neue Nutzungen zu überführen um wertvolle Ressourcen zu schonen.

 

Teile des Interviews basieren auf dem Interview, das Michael Wiederspahn 2013 für die Zeitschrift [Umrisse] mit Katrin Lünser geführt hat.