Montag 27.03.2023

Wege der nachhaltigen Tragwerksplanung: Erhalt und Erweiterung Ehrenfried-Walther-von Tschirnhaus-Gymnasium Dresden

Die Sanierung und Erweiterung des Tschirnhaus Gymnasiums ist ein gutes Beispiel für nachhaltige Tragwerksplanung, da es mit drei unterschiedlichen Teilobjekten drei unterschiedliche Wege der nachhaltigen Planung aufzeigt.

Diese spannenden Wege wurden im Rahmen eines Vortrags zum DBV Bautechniktag mit dem Titel „Heute nachhaltig für morgen bauen“ den über 1000 Teilnehmer_innen vorgestellt

  • Teilobjekt 1: Altbau als Einzeldenkmal aus dem Jahr 1956
  • Teilobjekt 2: Erweiterungsbau der Schule als Stahlbetonelementbauweise
  • Teilobjekt 3: Neubau 3-Feld Sporthalle im Holzbau

 

Teilobjekt 1: Altbau als Einzeldenkmal aus dem Jahr 1956

Grundlage einer nachhaltigen Bestandsplanung ist die Anamnese des Objekts, um aus einer fundierten Strukturkenntnis heraus das Tragwerk für die zukünftige Nutzung zu beurteilen und gezielt zu modifizieren. Hierzu zählen neben dem verformungsgenauen Aufmaß der Geometrie vor allem die Recherche zu Bestandsunterlagen aus der Bauzeit und den erfolgten Bauphasen. Dies wird durch Sondierungen und Materialuntersuchungen gezielt ergänzt. Eine Schadensanalyse und möglicher Weise ergänzende Untersuchungen wie beispielsweise Rissmonitoring oder Setzungsmessungen erlauben vorhandene Schwachstellen zu erkennen und zielgerichtet instandzusetzen.

Die Vorplanung ist beim Bauen im Bestand eine elementare Leistungsphase. Ziel einer nachhaltigen Tragwerksplanung ist, die zukünftige Nutzung, Ausbauten und Durchbrüche mit den Möglichkeiten der vorhandenen Substanz zu organisieren ohne große Verstärkungs- und Ertüchtigungsmaßnahmen.

Das Tschirnhausgymnasium hat im Bestand sogenannte Menzel – L Decken. Ein Deckentragwerk als Stahlbetonrippendecken mit Aufbeton als Plattenbalken wirkend, welche in Vollfertigteilsteine in L-Form gegossen werden. Der Bestandsschutz erlaubt hier unter Bezug auf die Zulassung der Decke eine Abweichung im Brandschutzkonzept von R90 auf R60. Infolge Teerhaltiger Schadstoffe, welche zwischen Rohdecke und Fußbodenaufbau verbaut wurden, waren entgegen der vorher angelegten Testflächen umfangreiche Fräsarbeiten im Aufbeton des Plattenbalkens erforderlich, welche bis zur Bewehrung gingen. Um den Bestandsschutz und die Tragfähigkeit sicherzustellen, wurde während der Bauphase ein Verfahren gemeinsam mit dem Baustofflabor Saxotest entwickelt, bei dem ein Spritzbeton mit geringem E-Modul mit einer Haftbrücke aufgebracht wurde, um den geringen Festigkeiten und v.a. der Haftzugfestigkeiten gerecht zu werden. Abgestimmt mit allen Beteiligten und in erster Linie mit dem Prüfingenieur wurden anschließend gewählte Deckenfelder einem insitu Lasttest unterzogen. Dieser ohne jeden Zweifel aufwändige Prozess hat geholften etwa 4000 m² Deckenfläche zu erhalten und gegenüber einem angedachten Deckenaustausch 200 Tonnen CO2e eingespart.

Dennoch verbleiben Eingriffe, bei denen die vorhandene Substanz für die zukünftige Nutzung verändert werden muss, wie Umnutzungen, neue Treppenhäuser oder technische Ausstattung. Dafür müssen Lösungen entwickelt werden, wie das neue Tragwerk sich in das bestehende sinnvoll integrieren lässt. Dies gilt für den Endzustand aber auch den Bauzustand.

Beispiele im Objekt ist der Deckenaustausch im Bereich des ehemaligen Chemiekabinett und der Hausmeisterwohnung. Hier wurde für das bauen unter Dach eine Ortbetondecke entwickelt mit hohem Anteil an Verdrängungsrohren gemäß der einachsigen Spannrichtung. Die Auflagerung im Bestand erfolgt über Auflagertaschen, was einer Punktförmigen Lagerung entspricht und mit der Lage der Verdrängungsrohre ermöglicht wurde. Die Neubaudecke erfüllte alle Anforderungen der Statik, Objektplanung, Brandschutz und Bauphysik und ist mir Ihrer reduzierten Gesamtmasse ähnlich der Bestandssituation, so dass keine Verstärkungen und Veränderungen im vertikalen Tragwerk und der Gründung resultieren. Neben dem reduzierten Betoneinsatz ist damit vor allem der lokale Eingriff ein wichtiger Beitrag zur Nachhaltigkeit. Ähnliche Beispiele lassen sich für Eingriffe am über 18m spannenden Sparrendach aus Holzgitterträgern erzählen oder über den Einbau von Steigschächten und eines Treppenhauses.

Zusammenfassend konnten über 95 % des Bestandstragwerks und damit der Rohbaukubatur erhalten werden und die erforderlichen Eingriffe bestandsverträglich gestaltet werden und damit ein Gebäude mit bereits über 60 Jahre Nutzung für den heutigen Schulbetrieb ertüchtigt und für künftige Generationen erhalten werden. Zahlenmäßig spiegelt sich dies im CO2 Fußabdruck des Tragwerks für die Sanierung von deutlich unter 10 kg/m² BFG, was durch einen Neubau dieser Qualität nicht zu erreichen wäre.

Teilobjekt 2: Erweiterungsbau der Schule als Stahlbetonelementbauweise

Der Neubau in Stahlbetonbauweise zeigt auf einen ganz anderen Pfad, wie wertvolle Ressourceneinsparungen in einer augenscheinlich konventionellen Bauweise möglich werden. Ähnlich zum Bestand ist die Leistungsphase der Vorplanung elementar für die Ausrichtung des Projekts. Variantenuntersuchungen zu Decken, Wand und Fassadenlösungen ermöglichen die Wahl der besten Lösung, welche oftmals mehrere Anforderungen aus unterschiedlichen Fachdisziplinen erfüllt.

Hier wurden die Klassenräume mit Spannbetonhohldielen überspannt, welche mit geringem Materialeinsatz große Spannweiten überbrücken. Zudem wurde die Deckenuntersicht nur mit einem Akustiksegel abgehangen, so dass auf Abhangdecken verzichtet werden konnte.
Die Flure wurden mit Halbfertigteildecken geringer Dicke ergänzt.

Die Innenwände bilden eine Kombination aus Voll- und Halbfertigteilen. Damit konnte mit 25cm Wandstärke eine Sichtbetonoberfläche wirtschaftlich hergestellt werden. Die Wände sind mit Regeldurchbrüchen und Vorhalteöffnungen geplant, um spätere Veränderungen der Raumstruktur oder sogar Nutzung zu ermöglichen.

Als Fassade kommt ein stark Formoptimiertes Vollfertigteil zum Einsatz. Ein Element mit zwei Stützen 20/20 cm und einer 10 cm Brüstung, welche Platz für Heizkörper und Brüstungskanäle bietet. Als Unterzug der Decke ist über den zwei Stützen des Elements ein 30/30 cm Balken mit seitlicher Auskragung angeordnet. Diese Elemente werden seriell ohne Fugenverguss aneinandergereiht und sind im Endzustand mit der Sichtbetonoberfläche der Vollfertigteilproduktion eine ökonomische und ökologische Lösung mit schnellem Baufortschritt.

Zusammenfassen konnte durch den gezielten und optimierten Einsatz der Bauteile ein Betonvolumen von etwa 650 m³ Beton bei den Decken und 80 m³ bei Fassade und 110m³ bei den Wänden reduziert werden und damit 250 Tonnen CO2e eingespart werden.

 

Teilobjekt 3: Neubau 3-Feld Sporthalle im Holzbau

Das dritte Teilobjekt der Sporthalle beschreitet einen wiederum ganz individuellen Weg der nachhaltigen Tragwerksplanung. Hier wurde für alle über dem Erdreich aufgehenden Bauteile eine Holzbauweise entwickelt. Die Doppelbinder im Achsraster von 7,5m spannen über 32m und lagern auf schlanken Stahlstützen, um den Glasanteil hoch zu halten. Kipphalterung erfolgt über die Scheibenwirkung der Holzständerwände zwischen den Bindern. Die Aussteifung erfolgt über die Scheibenausbildung und die Stahlbetonschächte der Erschließung.
Die Dachdecke bilden Brettsperrholzrippendecken mit Akustikunterdecke, welche einen schweren Gründachaufbau aufnehmen.

Die Holzbauweise mit der Möglichkeit der CO2-Bindung ist eine Schlüsselbauweise für nachhaltige Tragwerke. Hier konnten 140 Tonnen CO2e gebunden werden, was den Einsatz von Beton in der Gründung zu etwa 40 % kompensiert. Eine positive Bilanz war durch die städtebauliche Vorgabe die Sporthalle einzugraben leider nicht möglich.

Zusammenfassend zeigt das Projekt aus dem Jahr 2014, wie Leonhard Andrä und Partner gemeinsam mit den Planungsbeteiligten und Bauherren innerhalb eines Projekts ganz unterschiedliche Wege der nachhaltigen Tragwerksplanung entwickeln konnte und damit in der Gesamtbilanz knapp 1000 Tonnen CO2e einsparen konnte.

 

Architekten: RBZ - Raum und Bau / Zimmermann Architekten

Bauherr: Stesad GmbH

Projektleiter: Matthias Kahl

Verfasser: Korbinian Falk

Fotos: Robert Gromlich (Header), RBZ, LAP